Sittenpolizei, Exekutionen, Krieg

Die iranische und kurdische Diaspora in Berlin blickt mit Sorge auf den Iran

Während im Iran Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind und das Land in den Nahostkonflikt verwickelt ist, zeigen sich Exiliraner und Kurden in Berlin besorgt – und engagiert.

In ihrer Heimat werden permanent Menschenrechte verletzt, nebenan tobt der Krieg. Nicht erst seit Beginn der regierungskritischen Proteste im vergangenen Jahr, ausgelöst durch den Tod der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini, äußern sich Exilanten aus dem Iran auch in Berlin kritisch.

Erst vor zwei Wochen starb eine iranische Jugendliche, die Anfang Oktober nach einer Auseinandersetzung mit der Sittenpolizei ins Koma gefallen war. Die 16-jährige Armita Geravand brach zusammen, nachdem sie am 1. Oktober einen Zug der Teheraner U-Bahn bestiegen hatte.

Während innenpolitisch die Repressionspolitik fortgesetzt wird, mischt sich der Iran außenpolitisch in den aktuellen Nahostkrieg ein. Seit den Anschlägen der Hamas am 7. Oktober hat die Islamische Republik versprochen, ihre „Achse des Widerstands“ zu vereinen, um die Hamas zu unterstützen. 

Vier Iraner und Kurden aus dem kurdischen Gebiet des Iran erzählen hier, wie sie die Rolle der Islamischen Republik im Krieg und die Probleme im Land von Berlin aus erleben:

Anuscheh Amir-Khalili, Mitbegründerin des gemeinnützigen Vereins Flamingo e.V.

Anuscheh Amir-Khalili im Heilkräutergarten Hevrîn Xelef . Dort organisiert ihr Verein Flamingo oft Veranstaltungen und Angebote für geflüchtete Frauen. © Maria Sturm

Ich weiß, dass es seit über 40 Jahren dreimal täglich aus den Lautsprechern der Moscheen im Iran schallt: Tod dem großen Satan (USA), Tod dem kleinen Satan (Israel). Auf dem Palästina-Platz in Teheran zeigt zudem eine digitale Uhr die Vernichtung Israels an. Neben der Unterdrückung von Frauen*, Kurd*innen wie Armita Geravand und Jîna Amini, Belutsch*innen, Afghan*innen und allen marginalisierten Menschen ist die Vernichtung Israels das Hauptziel der iranischen Regierung. Und nun, seit dem 2. November 2023, rund 14 Monate nach dem Mord an Jîna Amini, hat der Iran, der wahre “große Satan”, den Vorsitz des Sozialforums der Vereinten Nationen inne.

Und auch der jüngste Mord an Armita Geravand wird keine Konsequenzen für das Land haben. Das weiß der Iran. Wir in der iranischen und kurdischen Diaspora wissen das auch. Armita war 17 Jahre alt. Sie ist kein Einzelfall. Viele dieser Morde erreichen uns nicht. Auch sehen wir nicht, was die iranische Regierung täglich mit den gefangenen Teenagern in den Folterkellern macht.

In unserem Gemeinschaftsgarten Hevrîn Xelef in Neukölln, den meine Kollegin Sarah Zilan Koessler und ich 2019 unter unserem Verein Flamingo e.V. gegründet haben, kommen wir aus Ländern zusammen, in denen Erinnerung als Stärke gesehen wird, als Verbindung, als Hoffnung, und zu alten, nicht auslöschbaren Traditionen gehört. Diese Kraft macht den Mullahs Angst.

Unser Garten in Berlin entwickelt sich zu einem begehbaren Gedenkort des feministischen Widerstands. In der Mitte steht der Maulbeerenbaum in Gedenken an Jîna Amini. Er wurde zeremoniell mit der bekannten kurdischen Sängerin Hani Mojtahedy am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen 2022 eingepflanzt. Im letzten Jahr kamen immer wieder bekannte iranische und kurdische Musiker*innen hierher, um an sie zu gedenken und vor dem Baum zu singen, für die feministische Revolution und für „Jin, Jiyan, Azadi“.

Gedenken an Armita Geravand

Der Heilkräutergarten Hevrîn Xelef befindet sich in der Hermannstraße 99 in Neukölln. Regelmäßig initiiert Flamingo e.V. dort Veranstaltungen mit Kunstschaffenden aus der iranischen und kurdischen Diaspora.

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