„Eine Oase für geflüchtete Frauen, mitten in der Stadt.”
Thymian und Traumahilfe
Die Hermannstraße in Berlin-Neukölln: Verkehr, Sirenen, Hektik, stickige Luft. Biegt man aber auf den Neuen St. Jacobi-Friedhof, betritt man zuerst eine Allee mit mächtigen Bäumen, Vögel zwitschern, Bienen summen.
Am Ende liegt ein Garten, 500 Quadratmeter groß, mit Kräutern, Blumen und Gemüse.
Es ist eine Oase mitten in der Stadt, in der geflüchtete Frauen aus Syrien, Afghanistan oder dem Iran „sich treffen, gärtnern, zur Ruhe kommen, Heilung erfahren”, sagt Anuscheh Amir-Khalili vom Verein Flamingo, einem Hilfsnetzwerk, 2015 gegründet. Sie und ihre Mitstreiterinnen haben bereits ein Wohnheim eingerichtet, bieten Rechtsberatung zu Asyl und Aufenthalt, Workshops zu Selbst-verteidigung, Empowerment und Kochen.
„Viele der Frauen sind traumatisiert, haben Schlimmstes erlebt und bräuchten psychologische Hilfe”, sagt die 46-Jährige, „stattdessen bekommen sie oft nur Anti-depressiva verschrieben, weil es für Geflüchtete nicht genügend Therapeutinnen gibt.” Ihre eigenen Eltern flohen mit ihr aus dem Iran, als sie acht Jahre alt war. Das Geld, um Psychologinnen anzustellen, hat der Verein aber nicht. „Daher zunächst der Garten”, erklärt sie. In den Anbau von Lavendel, Oregano, Pfefferminze oder Gemüse lassen die Frauen mitgebrachtes Wissen aus ihren Heimatländern einflie-Ben. Aus ein paar Worten über Zucchini und Thymian entstehen Gespräche über den Alltag, über Schönes und Trauriges. Manche Frauen kommen aus dem Umland, andere holt der Verein aus Unterkünften ab. Dreißig Frauen treffen sich hier regelmäßig.
Zahra, 36 Jahre alt, ist eine von ihnen. Im Garten fühlt sie sich wohl. 2011 kam sie mit ihren Kindern in Brandenburg an, nach langer Flucht aus Afghanistan. Sie lernte Deutsch, zog nach Berlin, machte Abitur. Bei Flamingo hilft sie als Dolmetscherin und bei Behördengängen. Mittlerweile macht sie eine Ausbildung zur Psychotherapeutin. Sobald der Verein genügend Spenden und Förderungen erhalten hat, möchte sie den Frauen hauptberuflich helfen – und ihnen ein unabhängiges Leben ermöglichen.