Berliner Verein unterstützt geflüchtete Frauen
Häufig erleben geflüchtete Frauen Gewalt in der Beziehung. Wegen des Asylrechts scheint eine Trennung jedoch unmöglich. Der Berliner Verein Flamingo unterstützt, wo der Staat versagt.
Die stille Gewalt gegen geflüchtete Frauen in Deutschland, insbesondere im Kontext des Asylrechts, stellt ein gravierendes Problem dar. Anuscheh Amir-Khalili und Katja Musafiri, Gründerinnen des gemeinnützigen Berliner Vereins Flamingo, erleben im Rahmen ihrer Arbeit viele Herausforderungen, mit denen die Frauen konfrontiert sind. Sie sehen Lücken in den bestehenden Unterstützungsstrukturen.
Die stille Gewalt gegen geflüchtete Frauen in Deutschland bleibt oft im Verborgenen. Amir-Khalili kennt viele betroffene Frauen, die sich eigentlich trennen wollen, weil ihre Partnerschaft unerträglich ist. Doch die Angst vor einer Änderung ihres Aufenthaltsstatus steht ihnen oft im Weg.
Denn Frauen, die im Rahmen des Familiennachzugs nach Deutschland kommen, sind mit ihrem Aufenthaltstitel von dem des Mannes abhängig. Im Falle einer Trennung müsste ein eigenständiger Aufenthaltstitel erworben werden, was wiederum mit sehr vielen Hürden verbunden ist. Zunächst müsste eine eigene Wohnung und ein Arbeitsverhältnis nachgewiesen werden.
Istanbul-Konvention scheint längst vergessen
Dafür brauche man Zeit, Geld und den Zugang zu Anwälten. „Durch die Rechtslage in Deutschland leitet sich der Aufenthaltsstatus der Frau von dem des Mannes ab“, sagt Amir-Khalili. „Das heißt, sie hat keinen eigenen Titel. Wenn sie sich jetzt trennt, verliert sie auch ihren Aufenthaltstitel. Also eigentlich ist sie akut von Abschiebung bedroht.“ Strukturelle Gewalt, meint Amir-Khalili.
Was ist die stille Gewalt?
Bei der sogenannten stillen Gewalt geht es nicht vordergründig um die emotionale oder physische Gewalt des Partners oder Ex-Partners gegenüber der Person. Laut der Autorin und Anwältin für Familienrecht, Asha Hedayati, handle es sich um die misogyne Gewalt, die durch patriarchale und wirtschaftliche Institutionen sowie Strukturen ausgeübt wird.
Der Staat lasse die betroffenen Frauen bei Fällen der häuslichen Gewalt oft alleine und zuständige Institutionen böten nicht den Schutz, den sie sollten. Die Gewalt sei somit zwar unsichtbar, aber durchdringend. Sie wirke still.
Dabei habe Deutschland die Istanbul-Konvention unterzeichnet. „Das hat sich niemand aus Spaß ausgedacht“, sagt Musafiri. Aus den Erfahrungen betroffener Frauen weiß sie, dass die Istanbul-Konvention, die den Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt vorsieht, in deutschen Gerichtssälen oft nicht ausreichend beachtet wird. „Die Realität zeigt uns, dass die Konvention in vielen Institutionen, auch in Jugendämtern und Gerichten, nicht ausreichend umgesetzt wird“, sagt sie.
Frauen wird oft nicht geglaubt
Musafiri betont, dass Gewalt oft nicht klar benannt wird und Frauen, die sich an Beratungsstellen wenden, nicht ernst genommen werden. Dies betreffe nicht nur geflüchtete Frauen, sondern alle Frauen, da patriarchale Strukturen in Institutionen wie Jugendämtern und Gerichten fortbestünden.
„Frauen, die Gewalt thematisieren, werden oft mit Vorurteilen konfrontiert und sollen bestimmte Erwartungen erfüllen“, sagt sie. „Den Müttern wird ein Übermaß an Verantwortung zugeschrieben, während die Väter oft nicht ausreichend zur Verantwortung gezogen werden“. Sie hat die Erfahrung gemacht, dass Frauen, die selbstbewusst auftreten, weniger geglaubt wird. Dann heißt es: Sie provoziert den Partner.
Die fehlende Kontrolle des Jugendamtes bedeutet, dass die Betroffenen oft einer einzigen Sozialarbeiterin ausgeliefert sind, auch wenn diese die Problematik nicht richtig erkennt und eher eine Väterlobby unterstützt.Anuscheh Amiri-Khalil arbeitet mit geflüchteten Frauen zusammen, die von Gewalt betroffen sind
Auch im Umgang mit Jugendämtern und Sozialarbeiterinnen in Fällen häuslicher Gewalt stehen Frauen vor Herausforderungen, die durch fehlende Kontrollinstanzen und mangelnde Sensibilität für die spezifischen Bedürfnisse dieser Frauen verschärft werden, sagt Amir-Khalili. „Die fehlende Kontrolle des Jugendamtes bedeutet, dass die Betroffenen oft einer einzigen Sozialarbeiterin ausgeliefert sind, auch wenn diese die Problematik nicht richtig erkennt und eher eine Väterlobby unterstützt“. Die Möglichkeit, die Sozialarbeiterin zu wechseln, bestehe oft nicht.
Es brauche vor allem einen Blick auf die Machtdynamiken, „überhaupt zu erkennen, dass es sie gibt“, sagt Amir-Khalili. Sozialarbeiterinnen werden von betroffenen Frauen zum Teil als mächtiger wahrgenommen als Richter. „Ich weiß von Anwältinnen, dass Richter sich gar nicht erst auf Streitgespräche einlassen wollen, sondern alles dem Jugendamt überlassen. Das führt zu einer Übermacht in diesen Instanzen.“
„Trennung Impossible“ – Mütter gegen Gewalt
Viele betrifft es, thematisiert wird es kaum: Gewalt gegen Mütter. In dem Theaterstück „Trennung Impossible“ verarbeitet Katja Musafiri die Geschichten von betroffenen Frauen, die unter stiller Gewalt gelitten haben und leiden. Sie spielen im Gerichtssaal, beim Jugendamt und zu Hause.
Das Theaterstück findet am 25. November 2023 in den Räumen der Spore Initiative in der Hermannstraße 86 statt. Einlass ist um 18 Uhr. Eintritt auf Spendenbasis.
Deswegen arbeitet Flamingo mit alternativen Unterstützungsstrukturen wie der Refugee Law Clinic zusammen, einem studentischen Verein an der Humboldt-Universität, der kostenlose und unabhängige Rechtsberatung für Geflüchtete und Migrantinnen in Berlin anbietet. Die wöchentlichen Sprechstunden ermöglichen insbesondere geflüchteten Frauen den Zugang zu qualifizierter Rechtsberatung, die für sie finanziell oft nicht leistbar wäre.
Die Einbindung von sensiblen Frauenteams und die Zusammenarbeit mit Organisationen wie Women in Exile schaffen Anlaufstellen für Unterstützung und zeigen die Notwendigkeit alternativer Strukturen auf, um die Herausforderungen des bestehenden Systems zu überwinden.
Anlässlich des Internationalen Tages zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen plant der Verein am Samstag eine Aufführung seines Theaterstücks „Trennung Impossible“. Das Stück basiert auf wahren Geschichten von betroffenen Frauen, die Musafiri gesammelt hat. „Die Geschichten spielen im Gerichtssaal, beim Jugendamt, zu Hause“. Sie erzählen auf der Bühne von einer Gewalt, die zwischen vier Wänden und hinter verschlossenen Türen stattfindet. Tag für Tag.